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Spezielle Kapitel der Schulinformatik
Ziele des Informatikunterrichts

„Das Bestimmen konkreter Lernziele ist kein logischer Ableitungsvorgang, sondern ein schöpferischer Prozess, ein zielgerichtetes Suchen und Finden mit Umwegen, Irrwegen und Holzwegen.“ (Lemke, Lernziel; 1989)

R.Baumann (Didaktik der Informatik, 1996) formuliert drei didaktische Leitlinien zum Bestimmen konkreter Lernziele:

A. Problemlösen mit Informatiksystemen
B. Wirkprinzipien, Struktur und Funktionsweise von Informatiksystemen,
C. Grundlagen und Grenzen technischer Wissensverarbeitung.

Aus diesen drei Leitlinien ergeben sich drei Leitfragen:

Leitfrage A (Problemlösen mit Informatiksystemen)
Wie können durch Entwicklung, Gestaltung und Anwendung von Informatiksystemen Probleme der Lebenswelt gelöst werden?

Diese Leitfrage thematisiert den praktischen, anwendungsbezogenen Aspekt des Informatikunterrichts: sie konkretisiert sich im – methodisch geleiteten – Entwurf von Informatiksystemen. Diese Systeme werden mit dem Ziel entwickelt, gestaltet und angewendet, um Probleme der Lebenswelt zu lösen. Sie sind einerseits „vom Menschen“ geschaffen und wirken andererseits auf diesen zurück. Das Abstraktum „Mensch“ muss dabei in verschiedenen sozialen Rollen (als Auftraggeber, Entwickler, Anwender usw.) konkretisiert und der Prozess der Systementwicklung muss auch als sozialer Prozess begriffen werden.

Die Schüler sollen:
A1 Typische Einsatzbereiche und exemplarische Anwendungen der Informatik in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft kennen und letztere hinsichtlich der Folgen für die
soziale und natürliche Umwelt kritisch reflektieren;
A2 Methoden der Modellierung von Realitätsausschnitten kennen, anwenden und hinter fragen (z. B. im Hinblick auf ihre Grenzen, das Interesse an ihrer Verwendung);
A3 Eine problemadäquate Auswahl von Werkzeugen zur Lösung von Problemen treffen und
die getroffene Auswahl begründen (z. B. Programmiersprachen, Standardsoftware, Entwicklungsumgebungen, Rahmensysteme (Shells));
A4 Methoden des Entwurfs von Informatiksystemen kennen und anwenden (z. B. zielorientierter Entwurf, Modularisierung, objektorientierter Entwurf; prädikative Methoden, Prototyping; Dokumentationsmethoden);
A5 Probleme hinsichtlich ihrer Komplexität sowie Algorithmen hinsichtlich Zuverlässigkeit (Korrektheit, Validität) und Effizienz beurteilen.


Leitfrage B (Wirkprinzipien von Informatiksystemen)
Wie sind Informatiksysteme aufgebaut, welches sind die Prinzipien des Zusammenwirkens ihrer Komponenten und wie ordnen sie sich in größere Systemzusammenhänge ein?
Hier ist zu thematisieren, dass Informatiksysteme aus – untereinander wechselwirkenden – Teilsystemen aufgebaut sind, dass sie in andere technische Systeme „eingebettet“ werden und sich zu größeren Systemen (Netzen, verteilten Systemen) zusammenschließen können. Hinsichtlich der Teilsysteme geht es unter anderem um die Idee der Programmierbarkeit (Computer als universelle symbolverarbeitende Maschine). Mit der Bezeichnung Wirkprinzip wird ausgedrückt, dass stets eine Betrachtung grundlegender Prinzipien, nie die Behandlung technischer Detailfragen angestrebt wird.

Die Schüler sollen:
B1 Digitalisierung und binäre Codierung von Daten als Prinzipien technischer Informationsverarbeitung kennen, anwenden und bewerten;
B2 Die Idee der Informationsverarbeitung durch programmgesteuerte Automaten und die zugehörigen Rechnerarchitekturen (von-Neumann-Architektur, Parallelarchitekturen) verstehen;
B3 Aufgabe, Schichtenaufbau und konzeptionelle Sicht (Datenmodelle) von Informationssystemen kennen und einfache Datenbanksysteme entwerfen können;
B4 Struktur und Funktion von Netzen zur Informationsübertragung in ihrer Eigenschaft als soziotechnische Systeme begreifen und analysieren;
B5 Risiken komplexer Hard- und Softwaresysteme kennen und hinsichtlich ihres Einsatzes für Planungs- und Entscheidungsprozesse abschätzen.


Leitfrage C (Grundlagen und Grenzen technischer Wissensverarbeitung)
Welches sind die Grundlagen und wo liegen die Grenzen formaler bzw. technischer Wissensverarbeitung, und wie kann die kognitive Autonomie menschlicher Subjekte gewahrt werden?
Bei dieser Frage geht es einerseits um die Grenzen eines verantwortbaren Computereinsatzes; dabei wird „Grenze“ als ethisch-politische Kategorie verstanden. Andererseits geht es um prinzipielle Grenzen der Idee des Wissens und seiner technischen Verarbeitung, die stets eine Formalisierung voraussetzt – und zwar im Hinblick auf menschliches Denken, Sprechen und Handeln, also das Bild des Menschen von sich selbst.

Die Schüler sollen:
C1 Computer als universelle symbolverarbeitende Maschinen begreifen und in die historische Entwicklung von Technik und Kultur einordnen;
C2 Prinzipien formaler und natürlicher Sprachen, deren Zusammenhang sowie die Grenzen
formaler Kommunikation kennen;
C3 Grundlegende Konzepte symbolischer und subsymbolischer Wissens- bzw. Informationsverarbeitung (Konnektionismus, neuronale Netze) kennen und miteinander vergleichen;
C4 Prinzipielle Grenzen der Berechenbarkeit und der Effizienzsteigerung kennen;
C5 Die Grenzen des Einsatzes von Informations- bzw. Wissenstechnik aufgrund individueller
und gesellschaftlicher Verantwortung kennen und beachten.


Ein Beispiel:
Bilinguale Website zum einwöchigen Kultur- und Sprachaufenthalt in Frankreich.

Bildungs- und Lehraufgaben:
1. SchülerInnen sollen über fächerübergreifenden Unterricht passende Problemlösungsstrategien entwickeln, sie in geeigneter Weise mit Mitteln der Informatik umsetzen und in geeigneter Form beschreiben
2. komplexen Informationen sinnvoll begegnen
3. kreativ und zielstrebig arbeiten
4. Arbeitsmethoden, die Sorgfalt und Ausdauer erfordern, kennen lernen
5. Teamarbeit und Gruppenarbeit erproben

Problemlösen mit Informatiksystemen
Es ist offensichtlich, dass die SchülerInnen im Rahmen dieses Projekts typische Einsatzbereiche und exemplarische Anwendungen der Informatik in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft kennen lernen, ebenso erfahren die SchülerInnen etwas über Methoden der Modellierung von Realitätsausschnitten, überdies ist eine problemadäquate Werkzeugauswahl zu treffen und zu begründen.

Wirkprinzipien von Informatiksystemen
Vor allem bei der Implementierung und Realisierung der Website wenden SchülerInnen die Digitalisierung von Daten als Prinzip technischer Informationsverarbeitung an, auch die Bewertung dieser Ergebnisse ist immanenter Bestandteil des Projekts. Schon in der Problembegegnungsphase (Projektplan nach Hubwieser: Problembegegnung – Informelle Problembeschreibung – Formale Modellierung – Implementierung und Realisierung – Bewertung) werden Struktur und Funktion von Netzen zur Informationsübertragung thematisiert. Da das Fertigstellen der Website in Frankreich – also möglicherweise unter ganz anderen Voraussetzungen, als es die SchülerInnen gewohnt sind – erfolgt, werden die Risiken komplexer Hardware- und Softwaresysteme bereits beim Planungs- und Entscheidungsprozess abgeschätzt.

Grundlagen und Grenzen technischer Wissensverarbeitung
Die Grenzen der technischen Wissensverarbeitung werden für die SchülerInnen zweifellos erkennbar, da es kaum möglich sein wird, das gesamte Sprechen und Handeln während des Aufenthalts in Frankreich im Rahmen diese Website zu dokumentieren. Allerdings wird den SchülerInnen auch bewusst, dass der Computer als universelle symbolverarbeitende Maschine begriffen werden kann.

Aufgabe 21:
Überlegen Sie, welche allgemeinen Bildungsziele (Bussmann/Heymann) mit diesem Projekt realisiert werden können und welche Bereiche der „informatischen Bildung“ (Hubwieser) hier angesprochen werden.
Veröffentlichen Sie Ihre Überlegungen in BSCW!